Dubiose Zeiten und Nebensächlichkeiten

In der Sonne brutzelt man zeitweise ganz schön. Die Tage werden wärmer. Und länger. Ich bin online auf der Suche nach Sommerschuhen. Das ist bei meinen Füßen gar nicht so leicht und es ist jedes Jahr zum Jahreswechsel die selbe Laier. Mit meinen Hobbit-Füßen finde ich nur sehr schwer Schuhe. Auch wenn ich größer bin, als ein Hobbit. Knapp 1.70cm. Es fällt mir jedes Jahr schwer darüberzustehen. Über meine Füße, die jedes Jahr aufs neue in keinen Schuhe zu passen scheinen. Ich ärgere mich mit meinen Füßen und mehreren Onlineshops rum und fühle mich schuldig.

Seit Mitte März bin ich im Home Office. Mein Arbeitgeber stellt mir das Equipment. Mir wird die Regelarbeitszeit gutgeschrieben. Am Ende des Monats bekomme ich das gleiche Gehalt wie sonst auch. Ich habe ein Dach über den Kopf und Lebe mit jemandem zusammen, den ich abends, wenn er von der Arbeit Nachhause kommt, zutexten kann. Ich kann mich von ihm zutexten lassen. Ich habe immer einen vollen Kühlschrank und ernähre mich nicht nur von Nudeln und Soße. Auch wenn es so wirkt, als würde das der überwiegende Anteil der Menschen tun, wenn man so in die Supermarktregale schaut. Ich habe alles was ich brauche, um gut leben zu können. Und noch sehr viel mehr.

Und ich rege mich auf. Über meine Füße. Ich lass mich von ihnen runterziehen. Ich ärgere mich darüber, dass ich an den Fingernägel knibbel und ab und zu darüber, dass die 42m² Wohnung keinen Abstellraum hat und der Staubsauger hinter der Schlafzimmertür steht. Ich schimpfe über den Herd, weil er mit Touch funktioniert und jedes Mal wie verrückt piept, wenn ich die Einkäufe draufstelle.

Ich fühle mich schuldig. Ich fühle mich schäbig. Darf ich mich in diesen Zeiten über solch belanglosen Dinge aufregen? Darf ich mich darüber ärgern und diesem Ärger Luft machen? Darf ich ihn laut aussprechen?

Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich es tue?

Unter den Umständen eines normalen Alltags hätte ich mich in jedem Fall über all diese Dinge geärgert. Warum sollten wir das jetzt plötzlich lassen? Sind unsere Alltagsprobleme plötzlich weniger wichtig? Dürfen uns Kleinigkeiten nicht mehr überfordern, weil da plötzlich etwas viel größeres ist, was uns überfordert?

Vielleicht hat der Ärger, das Stören an scheinbar Belanglosem, gerade jetzt so viel Gewicht, weil uns die Unwissenheit über die Situation in Anspannung versetzt. Aber vielleicht lernen wir dadurch, dass der Alltag trotzdem weitergeht. Mit all den Kleinigkeiten, die uns täglich beschäftigen, manchmal zu viel werden und ab und an überfordern. Vielleicht sind diese scheinbar unwichtigen Störfaktoren unseres Alltags genau die, die uns daran erinnern, dass die Welt sich lediglich unter anderen Umständen weiterdreht. Dass diese Situation, in der wir momentan als Kollektiv stecken, irgendwann vorbei sein wird. Und dass unser Leben nicht erst dann weitergeht, wenn der Virus an uns vorübergezogen ist. Sondern dass es jeden Tag weiter geht. Nur eben anders.

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